Orchester und Band als Einheit – Philharmonic Rock im Metropol Theater
Rocksongs im klassischen Arrangement im Orchester – das ist ein Konzept, dass immer wieder viele Musiker reizte. Deep Purple-Keyboarder Jon Lord „schockte“ seine Fangemeinde schon in den 70ern, als er mit Sarabande ein fast klassisches Album mit der Musik von Johann Sebastian Bach veröffentlichte, und in den folgenden Jahrzehnten brachten immer wieder renommierte Bands wie Metallica Teile ihres Repertoires mit Orchester auf die Bühne.
Doch nicht nur die ganz Großen werden immer wieder von diesem Konzept angezogen: auch im Bremer Umland funktioniert es wunderbar, wie am Freitag und am Samstag Abend wieder einmal im Metropol Theater Bremen zu sehen war. Dort rockte die Klassische Philharmonie NordWest samt Band unter dem Titel „Philharmonic Rock“ das Haus. Hans-Hermann Kuhlmann, bis heute Organisator und „Mastermind“ des „Classic meets Rock“-Konzepts (und Vater zweier Söhne, die in der Band spielen), initiierte das Projekt vor zehn Jahren, indem er das Orchester mit der Weyher Theaterband zusammenbrachte, um mal etwas Neues, Größeres auszuprobieren – was bis heute wunderbar geklappt hat. „Ich hab‘ mir damals nur zwei Titel gewünscht, und die sind immer noch im Programm“, sagt Kuhlmann. Als da wären: Deep Purples „Smoke On The Water“ und „Hey Jude“ von den Beatles.
Mit dem Purple-Klassiker beginnt dann auch das Konzert im Metropol-Theater, allerdings in leicht veränderter Form: Vor dem Song gestaltet das Orchester noch eine Ouvertüre, hat der etwas erhöht sitzende Schlagzeuger Kevin Kuhlmann bereits seinen ersten großen Auftritt mit einem Drum-Solo. Dann wird die Bühne nicht nur in rotes Licht getaucht, sondern auch in Nebel beziehungsweise Rauch – denn „Smoke on the Water“ will auch optisch umgesetzt werden. Mit den ersten Tönen der Band ist schon der Beweis erbracht, dass Band und Orchester sehr gut zusammen passen.
Im Mittelpunkt steht dabei naturgemäß der Frontmann – in diesem Fall der charismatische Jens Wördemann. Der Sänger, der im echten Leben Lehrer ist, sorgt mit flotten, selbstironischen Ansagen und starker Frontmann-Ausstrahlung nicht nur für’s entsprechende Rock’n’Roll-Feeling, sondern überzeugt auch stimmlich – was angesichts der Auswahl der Stücke alles andere als einfach ist. Denn zu den Original-Sängern der Songs, die Orchester und Bands vortragen, zählen unter anderem Freddie Mercury, Mick Jagger, Paul McCartney, Elvis Presley und Udo Lindenberg – eine ordentliche Stimm-Palette. Wördemann bewältigt die Herausforderungen souverän, schafft die tieferen Rockabilly-Klänge ebenso wie die höheren Tonlagen, etwa bei „Stairway to heaven.“
Was die Songauswahl betrifft, fühlen sich die Musiker überwiegend im so genannten „Classic Rock“ zuhause, präsentieren unter anderem Lynyrd Skynyrds „Sweet Home Alabama“, AC/DCs „Highway to Hell“, Medleys von den Rolling Stones („Get Off Of My Cloud“/“Satisfaction“) und Foreigner („Juke Box Hero“/“Cold As Ice“/“I Want To Know What Love Is”). Aber auch ein Motown-Hit wie „My Girl“ von den Temptations und Balladen wie „Hey Jude” von den Beatles oder „A Whiter Shade Of Pale” von Procul Harum finden sich in der Setlist.
Dass im Orchester unter der insgesamt souveränen Leitung von Ulrich Semrau nicht immer jeder Ton sitzt – geschenkt. Das passiert und wird vom Publikum schnell verziehen. Im Gegenteil zeigen sich die Zuschauer schnell begeistert vom Zusammenspiel zwischen Orchester und Band, wobei auch besonders die Arrangements der Songs überzeugen – diese stammen allesamt von Keyborder Joachim Refardt, der dafür auch den verdienten Extra-Applaus erhält. Schön jedenfalls, wie die Gitarren-Intros einiger Original-Songs beim „Philharmonic Rock“ durch Bläser- oder Streichersätze ersetzt werden – das passt erstaunlich gut, gibt dem einen oder anderen Song ein ganz neues Gewand. Zwischenzeitlich bekommen Orchester und Band jeweils einen eigenen Song, „damit wir uns hier nicht auf den Geist gehen“, so Wördemann schelmisch – die Band spielt dabei eine starke Version von Radioheads „Creep“. Das Orchester wiederum beeindruckt vor allem mit den ohnehin schon aufwändiger arrangierten Songs wie „Music“ von John Miles (als zweite Zugabe).
Fazit: Hier stimmt die Mischung! Und Haltung zeigen die Musiker auch: Wördemann wendet sich in seinen Ansagen nicht nur häufig und deutlich gegen rechts, sondern am Ende auch gegen die immer stärkere werdende Meinung vieler, dass der Rock am Sterben sei. Recht hat er – und wer diesen Abend erlebt hat, kann dies nicht wirklich bestreiten.
Auch in 2020 kommt Philharmonic Rock wieder ins Metropol Theater Bremen.
Text und Fotos: Frank Schümann